Auf nach Estland!
Teil 13: Zum Problem der fehlenden Werte
Im → Teil 10 haben wir eine Fußnote aus PISA 2015 (1) zitiert: „Bei der Interpretation der Ergebnisse für Deutschland ist aufgrund fehlender Daten für die Variablen Migrationshintergrund … Vorsicht geboten“ (S.284). Diese Warnung greifen wir nun auf und fragen, welche Auswirkungen die fehlenden Werte auf die bisherigen Befunde haben könnten.
Nach Rauch et al. (2016) (2) beträgt der Anteil der fehlenden Werte 14,3 Prozent. Von den gültigen Werten entfallen 72,2 Prozent auf Einheimische und 27,8 Prozent auf Migranten.
Tabelle 13.1 zeigt die prozentuale Aufteilung der Gesamtstichprobe und die Punktzahl in den Naturwissenschaften.
Tabelle 13.1: PISA 2015 – Migrationsstatus und Leistung in Naturwissenschaften.
Anteil | Punkte | |
Identifizierte Einheimische | 61,9 | 532 |
Identifizierte Migranten | 23,8 | 471 |
Nicht zuzuordnen | 14,3 | 469 |
Deutschland insgesamt | 100 | 509 |
Die Nichtzuzuordnenden sind 40 Punkte schlechter als die Gesamtstichprobe, 2 Punkte schlechter als die identifizierten Migranten und 63 Punkte schlechter als die identifizierten Einheimischen. Es ist naturgemäß nicht feststellbar, wie die Proportionen aussehen, aber es ist sicher, dass die Migrantenquote in dieser Gruppe erheblich größer sein muss als bei den Schülern mit gültigen Angaben.
Dazu ein – willkürlich konstruiertes extrem konservatives – Beispiel: Unterstellt man in der Gruppe der Nichtzuordenbaren das gleiche Verhältnis wie bei den gültigen Werten (72,2 Prozent Einheimische und 27,8 Prozent Migranten), dann würde aus einer Punktzahl von 500 für die Einheimischen eine Punktzahl von 389 für die Migranten folgen. Das sind natürlich absurde Werte.
Die Frage, wie das Verhältnis von Einheimischen zu Migranten bei den Nichtzuordenbaren aussieht und welche Werte die Einheimischen und die Migranten in dieser Gruppe erzielten, kann prinzipiell nicht definitiv beantwortet werden. Man kann allenfalls plausible Abschätzungen versuchen. Dieses komplexe Thema werde ich in einem anderen Beitrag aufgreifen. An dieser Stelle will ich lediglich darstellen, wie sich das extrem konservative, absurde Beispiel auf das Leistungsniveau der Einheimischen nach der nationalen Klassifikation auswirken würde, das wir in den letzten beiden Folgen betrachtet haben.
72,2 Prozent von 14,3 sind 10,3 Prozent. Die Einheimischen würden sich also zusammensetzen aus 61,9 Prozent Identifizierten und 10,3 Prozent Nichtzuzuordnenden. Die erste Teilgruppe erreichte 532 Punkte. Unterstellt man – völlig unrealistisch konservativ –, dass die zweite Teilgruppe nur 500 Punkte erreichte, dann ergibt sich für die Gesamtgruppe der Einheimischen ein Wert von 527. Das ist mit Sicherheit eine massive Unterschätzung. Zufällig ist es genau der Wert, der sich nach der OECD-PISA-Klassifikation ergibt.
Damit können wir selbst unter absurd konservativen Annahmen das festhalten, was bereits auf der Basis der OECD-PISA-Klassifikation feststand:
- Betrachtet man nur die Einheimischen, dann sind keine Unterschiede zwischen Deutschen, Esten und Finnen festzustellen. Unterschiede zwischen den Gesamtbevölkerungen sind praktisch ausschließlich auf die Migranten zurückzuführen.
Auf das sehr hohe Niveau der einheimischen Schüler kommen wir später noch einmal zurück. In der nächsten Folge wenden wir uns den Migranten zu.
Hier gibt es die Fortsetzung → Teil 14
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Quellen und Anmerkungen
(1) OECD (2016), PISA 2015 Ergebnisse (Band I). Exzellenz und Chancengerechtigkeit in der Bildung. W. Bertelsmann Verlag, Germany. DOI 10.3278/6004573w
PISA 2015. Zusatzmaterialien im Internet. Anhang zu Kapitel 7. http://dx.doi.org/10.1787/888933433226
(2) Dominique Rauch, Julia Mang, Hendrik Härtig & Nicole Haag (2016). Naturwissenschaftliche Kompetenz von Schülerinnen und Schülern mit Zuwanderungshintergrund. In Kristina Reiss, Christine Sälzer, Anja Schiepe-Tiska, Eckhard Klieme & Olaf Köller (Hrsg.). PISA 2015. Eine Studie zwischen Kontinuität und Innovation. Münster: Waxmann (S.316-347).
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Stichwörter:
Bildung, PISA, Migranten, Migrationshintergrund, Zuwanderungshintergrund, Migrationsstatus, Naturwissenschaften, Fehlende Werte
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