Geschlechtsunterschiede in der Intelligenz
Teil 2: Hypothesen
Vier Hypothesen zum Thema Geschlechtsunterschiede in der Intelligenz. Erwachsenendifferenzhypothese, Entwicklungshypothese, Varianzhypothese und Bereichshypothese.
Zum Beginn dieser Serie → Geschlechtsunterschiede in der Intelligenz – Teil 1.
In der Festschrift zum 80. Geburtstag von Richard Lynn nennt Paul Irwing drei wichtige Punkte, die Lynn zur Diskussion um Geschlechtsunterschiede in der Intelligenz beigetragen hat [1].
Während der Mainstream davon ausgeht, dass zwischen Männern und Frauen keine oder allenfalls vernachlässigbare Unterschiede bestehen, ist Lynn der Meinung, dass Männer im Erwachsenenalter intelligenter sind als Frauen.
Wichtig ist dabei die Einschränkung im Erwachsenenalter.
Lynn macht darauf aufmerksam, dass bei der Intelligenz ebenso wie in vielen anderen Bereichen die beiden Geschlechter unterschiedliche Entwicklungsverläufe aufweisen. Im Kindesalter zeigen Mädchen in aller Regel bessere Leistungen als Jungen. Mit zunehmendem Alter steigt jedoch die Leistungskurve der jungen Männer stärker als die der jungen Frauen; und da dieser Trend beim männlichen Geschlecht länger anhält, zeigen Männer im Erwachsenenalter höhere Intelligenzleistungen.
Der erste Punkt ist im zweiten als Endstadium erhalten.
Der dritte Punkt bezieht sich nicht auf Differenzen zwischen, sondern auf Unterschiede innerhalb der Geschlechter.
Schon vor weit mehr als hundert Jahren wies Ellis (1894) darauf hin, dass die Unterschiede zwischen Männern häufig größer sind als die Unterschiede zwischen Frauen [2]. Dies drückt sich insbesondere auch darin aus, dass Männer in den Extrembereichen – und zwar sowohl am oberen als auch am unteren Ende des Leistungsspektrums – wesentlich stärker vertreten sind als Frauen. Während der Mainstream eher davon ausgeht, dass Männer in der Intelligenz eine größere Varianz aufweisen als Frauen, stellt Lynn diese Annahme infrage.
Lynns Hypothesen beziehen sich auf den g-Faktor der Allgemeinen Intelligenz [3].
In dieser Serie werden wir jedoch nicht die Allgemeine Intelligenz betrachten, sondern lediglich Teilbereiche. Im Blickpunkt stehen dabei die Lesekompetenz und die mathematische Kompetenz.
Bereits im → Teil 1 haben wir darauf hingewiesen, dass Geschlechtsunterschiede in Abhängigkeit vom jeweiligen Teilbereich unterschiedlich ausfallen können. Speziell im Hinblick auf die Lese- und die mathematische Kompetenz ergeben sich klare Erwartungen: Beim weiblichen Geschlecht liegt die relative Stärke im verbalen, beim männlichen Geschlecht hingegen im mathematischen Bereich.
Die vier Hypothesen, die wir kurz als Erwachsenendifferenzhypothese, Entwicklungshypothese, Varianzhypothese und Bereichshypothese bezeichnen, werden wir im Folgenden anhand sehr großer internationaler Stichproben prüfen.
In der nächsten Folge betrachten wir die PISA-Studie 2015, die mit 15-Jährigen durchgeführt wurde.
Den Hauptteil bildet dann die PIAAC-Studie 2012/2014, in der Erwachsene im Alter von 16 bis 65 Jahren untersucht wurden.
Hier gibt es die Fortsetzung → Geschlechtsunterschiede in der Intelligenz. Teil 3: Geschlechtsunterschiede in PISA 2015.
Literatur
[1] Irving, P. (2013). Sex Differences in g: An analysis of the US standardization sample of the WAIS-III. In Nyborg, H. (Hrsg.) Race and Sex Differences in Intelligence and Personality. London: Ulster Institute for Social Research, S. 215-236.
[2] Ellis. H. (1894). Man and woman: A study of human sexual characteristics. London: Walter Scott.
[3] Arthur R. (1998). The g Factor: The Science of Mental Ability. Westport, Connecticut: Praeger.
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Stichwörter:
Bildung, Intelligenz, Geschlecht, Geschlechtsunterschiede, Hypothesen
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