Bildungswunder Chile
Es darf gelacht werden!
Die OECD erwartet, dass 89 Prozent der chilenischen Schüler ein Studium aufnehmen werden. Die PISA-Studien zeigen, dass in allen Bereichen weit mehr als die Hälfte der chilenischen Schüler nur über minimale oder überhaupt keine Kenntnisse verfügen.
Nein, Bildungsberichte sind keineswegs immer nur eine langweilige Lektüre. Zuweilen sind sie sogar richtig erheiternd.
In „Bildung auf einen Blick 2015. OECD-Bildungsindikatoren“ ist zu lesen: „In den OECD-Ländern werden schätzungsweise 67 Prozent der jungen Erwachsenen von heute im Laufe ihres Lebens einen Studiengang im Tertiärbereich aufnehmen“ [1; S.437].
Der Tertiärbereich ist das, was in Deutschland nach dem Abitur kommt, also ein Studium [A1]. Die Bildungspolitiker sind offenkundig der Meinung, dass man auch mit deutlich unterdurchschnittlicher Intelligenz für ein Studium geeignet ist. Nun ja, wenn man die Anforderungen genügend absenkt …
Aber das richtig Erheiternde kommt erst noch.
Wenige Sätze weiter ist zu lesen: „In Chile besipielsweise wird erwartet, dass etwa 89 Prozent der jungen Menschen mindestens einmal im Laufe ihres Lebens ein Studium im Tertiärbereich aufnehmen werden – wobei 45 Prozent von ihnen einen Kurzstudiengang belegen werden“ [1; S.437].
Da ist man doch erstaunt über das extrem hohe Bildungsniveau in Chile.
Ein Blick in die internationalen Bildungsstudien ist ist jedoch etwas verwirrend. Unter den 35 OECD-Ländern schneidet Chile in den PISA-Studien stets außerordentlich schlecht ab. In PISA 2015 [2] belegte es in allen Bereichen den drittletzten Rang; schlechter sind nur die Türkei und Mexiko.
In den Naturwissenschaften erzielte Chile 447 Punkte (Deutschland 509), in der Lesekompetenz 459 (Deutschland 509) und in Mathematik 423 (Deutschland 506). Der PISA-Gesamtscore beträgt 437 (Deutschland 508).
Legt man den PISA-Mittelwert von 500 und eine Standardabweichung von 100 zugrunde, dann ergibt sich auf der üblichen IQ-Skala mit Mittelwert 100 und Standardabweichung 15 ein IQ von 91. Das entspricht exakt dem Wert, den Lynn und Vanhanen als Nationalen IQ für Chile angeben [3].
Was ein derart niedriger IQ bedeutet, zeigt PISA 2015 in aller Klarheit:
PISA unterscheidet verschiedene Kompetenzstufen. Kompetenzstufe 2 gilt als das Minimum, das Schüler am Ende der Sekundarstufe I erreicht haben müssen. In Schulnoten ausgedrückt wäre das die Note vier. Schüler auf der Kompetenzstufe 1 erfüllen noch nicht einmal die Minimalanforderungen.
Tabelle 1 zeigt die prozentualen Anteile der chilenischen PISA-20015-Teilnehmer auf den Stufen 1 und 2.
Naturwissensch. | Lesekompetenz | Mathematik | |
Stufe 1 | 34,9 | 28,5 | 25,5 |
Stufe 2 | 31,0 | 29,9 | 49,3 |
Summe | 65,9 | 58,4 | 74,8 |
- Drei Viertel der chilenischen Schüler haben nur minimale oder gar keine Kenntnisse in Mathematik.
- Zwei Drittel haben nur minimale oder gar keine Kenntnisse in den Naturwissenschaften.
- Fast 60 Prozent haben überhaupt kein oder nur ein rudimentäres Textverständnis.
- 89 Prozent der chilienischen Schüler werden voraussichtlich ein Studium aufnehmen.
Wie sagt doch die OECD? – „Hohe Studienanfänger- und Beteiligungsquoten im Tertiärbereich lassen darauf schließen, dass eine hoch qualifizierte Erwerbsbevölkerung herangebildet und aufrechterhalten wird“ [1; S.436].
Es darf gelacht werden!
Tatatataaaa!
Nein, dieser Beitrag ist kein Scherz, auch wenn just in dieser Woche Fastnacht ist.
Literatur
[1] OECD (2015). Bildung auf einen Blick 2015. OECD-Indikatoren. W. Bertelsmann.Download unter wbv-open-access.dehttp://creativecommons.org/licences//by-nc-nd/3.0/de/
[2] OECD (2016) PISA 2015 Ergebnisse. Exzellenz und Chancengleichheit in der Bildung. Band I. W. Bertelsmann Verlag, Germany. DOI 10.3278/6004573w
[3] Lynn, R. und Vanhanen, T. (2012). Intelligence. A Unifying Construct for the Social Sciences. London: Ulster Institute for Social Research.
Anmerkungen
[A1] Der Tertiärbereich ist ein bisschen breiter gefasst: „Der Tertiärbereich baut auf dem Sekundarbereich auf und bietet Lernaktivitäten mit einem hohen Maß an Komplexität und Spezialisierung. Zum Tertiärbereich gehört, was im Allgemeinen als akademische Bildung bezeichnet wird, er deckt aber auch weiterführende berufliche oder berufsorientierte Bildung ab“ [1; S.28]. Entscheidend für das Folgende ist zum einen, dass der Tertiär- auf dem Sekundärbereich aufbaut und dass er „mit einem hohen Maß an Komplexität und Spezialisierung“ einhergeht.
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Stichwörter:
Bildung, PISA, OECD, Chile, Studium, Studienanfänger, Studienanfängerquote