Kleine Länder ganz groß

Kleine Länder ganz groß

Einwohnerzahl, Wohlstand und Entwicklung

Der Wohlstand und die demokratische Entwicklung eines Landes hängt nicht von der Zahl seiner Einwohner ab. Die Vorstellung, dass nur große Staatsgebilde Wohlstand bescheren können, entbehrt jeglicher Grundlage.

Als Kommentar zu dem SPIEGEL-ONLINE-Artikel Puigdemont zum Wahlergebnis: „Der spanische Staat wurde bezwungen“ schreibt der Leser kurtbär:

katalonien ist ein trauerfall. demokratie und vor allem wohlstand findet man nur in größeren staatlichen gebilden. hier wählen leute bewusst ein kleines staatliches gebilde als ihr zu hause (1)


Wie der Leser kurtbär zu der Vorstellung kommt, Demokratie und Wohlstand fände man nur in größeren staatlichen Gebilden, bleibt sein Geheimnis. Fakt ist, dass keinerlei Zusammenhang zwischen Demokratie und Wohlstand auf der einen und Größe der staatlichen Gebilde auf der anderen Seite besteht.

Das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations Development Programme UNDP) veröffentlicht seit 1990 alljährlich den Human Development Index HDI (2). Dieser Index gilt – wie der Name schon sagt – als Indikator der menschlichen Entwicklung (3). Tabelle 1 zeigt die Top 20 des Entwicklungsindexes sowie Spanien und Katalonien.

Tabelle 1: Top 20 des Human Development Index (HDI) und Einwohnerzahlen
HDI-
Rang

Land
Millionen
Einwohner
1 Norwegen 5,2
2 Australien 24,0
2 Schweiz 8,3
4 Deutschland 80,7
5 Dänemark 5,7
5 Singapur 5,6
7 Niederlande 16,9
8 Irland 4,7
9 Island 0,3
10 Kanada 35,9
10 USA 321,8
12 Hong Kong 7,3
13 Neuseeland 4,5
14 Schweden 9,8
15 Liechtenstein 0,0
16 Großbritannien 64,7
17 Japan 126,6
18 Südkorea 50,3
19 Israel 8,1
20 Luxemburg 0,6
27 Spanien 46,1
Katalonien 7,5

Katalonien hat 7,5 Millionen Einwohner. Neun der HDI-Top-20 haben weniger Einwohner als Katalonien; zwei weitere Länder haben nur unwesentlich mehr (Israel 8,1 Millionen, Schweiz 8,3 Millionen).

Von den 20 einwohnerreichsten Ländern der Welt finden sich lediglich drei – USA, Japan und Deutschland – unter den HDI-Top-20. Die Hälfte der einwohnerreichsten Länder finden sich sogar in der unteren Hälfte des HDI (nicht in dieser Tabelle dargestellt).

Die Korrelation zwischen Einwohnerzahl und HDI beträgt -0,01. Das ist natürlich statistisch völlig bedeutungslos, und das heißt:

  • Es besteht auch nicht der allergeringste Zusammenhang zwischen dem Entwicklungsstand und der Einwohnerzahl.

Ein wenig, aber nicht viel anders sieht es aus, wenn man ausschließlich den finanziellen Reichtum betrachtet.

In Tabelle 2 finden sich die Top-20 gemessen am kaufkraftbereinigten Bruttoeinkommen pro Kopf.

Tabelle 2: Top 20 der reichsten Länder nach kaufkraftbereinigtem Pro-Kopf-Einkommen in US-Dollar und Einwohnerzahlen.
HDI-
Rang

Land
Bruttoeink.
pro Kopf
Millionen
Einwohner
33 Katar 129916 2,2
5 Singapur 78162 5,6
51 Kuwait 76075 3,9
15 Liechtenstein 75065 0,0
30 Brunei 72843 0,4
1 Norwegen 67614 5,2
42 Vereinigte Arabische Emirate 66203 9,2
20 Luxemburg 62471 0,6
2 Schweiz 56364 8,3
12 Hong Kong 54265 7,3
10 USA 53245 321,8
38 Saudi-Arabien 51320 31,5
32 Andorra 47979 0,1
7 Niederlande 46326 16,9
14 Schweden 46251 9,8
4 Deutschland 45000 80,7
5 Dänemark 44519 5,7
8 Irland 43798 4,7
24 Österreich 43609 8,5
2 Australien 42822 24,0
27 Spanien 32779 46,1

Wenn es ausschließlich um den finanziellen Reichtum geht, dann stehen die bevölkerungsarmen Erdölförderländer Katar (Rang 1), Kuwait (Rang 3), Brunei (Rang 5), Vereinigte Arabische Emirate (Rang 7) und Saudi-Arabien (Rang 12) ganz weit vorn. Ansonsten sind jene Länder besonders reich, die im HDI an der Spitze stehen (das ist nicht verwunderlich, da das Pro-Kopf-Einkommen eine Komponente des HDI ist).

  • Auch der finanzielle Reichtum eines Landes zeigt keinerlei Zusammenhang mit der Einwohnerzahl (die Korrelation beträgt -0,04)

Die Vorstellung des SPIEGEL-ONLINE-Kommentators kurtbär entbehrt jeglicher Grundlage. Die reine Bevölkerungszahl ist völlig unerheblich. Entscheidend sind ganz andere Faktoren.

  • Der mit Abstand wichtigste Faktor für Entwicklungsniveau und Wohlstand eines Landes ist das Intelligenzniveau der Bevölkerung! Im Vergleich dazu sind alle anderen Faktoren drittrangig.

Sämtliche Länder in den HDI-Top-20 weisen einen nationalen IQ um 100 auf (siehe Lynn und Vahnanen, 2012 (4)).

Zahlreiche Autoren sehen die politischen Institutionen als den wichtigsten Faktor an (5). Die herausragende Rolle der politischen Institutionen ist nicht zu bestreiten. Entscheidend ist jedoch, dass funktionierende politische Institutionen nur dort etabliert werden können, wo die Bevölkerung ein ausreichend hohes Intelligenzniveau aufweist. Intelligenz ist also die Voraussetzung. Dass die Autoren diesen alles entscheidenden Aspekt schamhaft verschweigen, ist wohl der politischen Correctness geschuldet.

  • Wenn es alleine um den finanziellen Reichtum geht, spielt das Erdöl eine überragende Rolle.

Die erdölfördernden Länder der Arabischen Halbinsel weisen einen niedrigen nationalen IQ auf (4); lediglich mit Hilfe der westlichen Technologie ist es ihnen möglich, ungeheuren finanziellen Reichtum anzuhäufen. Die herausragende Rolle des Erdöls ist jedoch auf einen historisch relativ engen Zeitraum beschränkt. Mit der Entwicklung neuer Technologien können diese Länder rasch in völliger Bedeutungslosigkeit versinken.

Zum Thema Wahlausgang in Katalonien – das der Ausgangspunkt für den SPIEGEL-ONLINE-Kommentar ist – sei abschließend lediglich festgehalten: Die reine Bevölkerungszahl ist absolut irrelevant in Bezug auf Demokratie und Wohlstand. kurtbärs Behauptung „demokratie und vor allem wohlstand findet man nur in größeren staatlichen gebilden“ ist pure Fantasie.

*

Quellen und Anmerkungen:

(1) SPIEGEL ONLINE: Puigdemont zum Wahlergebnis: „Der spanische Staat wurde bezwungen“,
Kommentar Nr. 9 von kurtbär, 22.12.2017, 06:29 Uhr

(2) Human Development Report 2016. Human Development for Everyone. United Nations Development Programme (UNDP), 2016.

(3) Der HDI berücksichtigt folgende Komponenten:
Lebenserwartung bei Geburt
Durchschnittliche Schulbesuchsdauer (Anzahl der Schuljahre für Mindestens-25-Jährige)
Voraussichtliche Schulbesuchsdauer (Anzahl der Jahre, die 5-Jährige voraussichtlich zur Schule gehen werden)
Pro-Kopf-Bruttonationaleinkommen, kaufkraftbereinigt in US-Dollar

(4) Lynn, R. & Vanhanen, T. (2012). Intelligence. A Unifying Construct for the Social Sciences. London: Ulster Institute for Social Research.

(5) Einige ausgezeichnete Bücher zur Rolle der politischen Institutionen:
Daron Acemoglu und James A. Robinson: Warum Nationen scheitern. Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut. Frankfurt am Main: Fischer Verlag, 20153.
Angus Deaton: Der große Ausbruch: Von Armut und Wohlstand der Nationen. Stuttgart: Klett-Cotta, 2017.
Francis Fukuyama (2011). The Origins of Political Order. From Prehuman Times to the French Revolution. New York: Farrar, Straus and Giroux.
Francis Fukuyama (2014). Political Order and Political Decay. From the Industrial Revolution to the Globalisation of Democracy. New York: Farrar, Straus and Giroux.

***
Stichwörter:
Politik, Bevölkerung, Staaten, Länder, Einwohner, Einkommen, Wohlstand, HDI, Human Development Index, Spanien, Katalonien

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