Auf nach Estland! – Teil 11

PISA 2015 - Naturwissenschaften - Vergleich von Klassifikationssystemen

Auf nach Estland!

Teil 11: Estland, Finnland und Deutschland – Keinerlei Unterschiede

Auf der Grundlage von PISA 2015 (1) haben wir festgestellt, dass bei den Einheimischen praktisch kein Unterschied zwischen Deutschen, Esten und Finnen besteht. Die Unterschiede zwischen den Gesamtbevölkerungen gehen praktisch vollständig auf das Konto der Migranten.

Im → Teil 10 haben wir jedoch gesehen, dass die offiziellen von der OECD herausgegebenen PISA-Berichte auf einer völlig unsinnigen Definition von Migrationshintergrund beruhen. Nach der OECD-Klassifikation gelten alle Schüler, deren Mutter und/oder Vater in Deutschland geboren ist, als Schüler ohne Migrationshintergrund.

In nationalen Bildungsstudien werden Schüler nur dann der Kategorie Ohne Zuwanderungshintergrund zugeordnet, wenn kein Elternteil im Ausland geboren wurde. Diese Definition enthält zwar immer noch abstruse Fälle, sie ist aber wesentlich brauchbarer als die OECD-PISA-Klassifikation.

Im Folgenden vergleichen wir den Effekt der Migranten auf der Basis der nationalen Klassifikation. Als Erstes betrachten wir das Fach Naturwissenschaften, das in der jüngsten PISA-Studie Schwerpunktthema war. Die Daten basieren auf dem Beitrag von Rauch et al. (2) im nationalen PISA-2015-Bericht. Dort werden unter anderem Deutschland und Finnland berücksichtig, Estland leider nicht.

Abbildung 11.1 veranschaulicht die Leistungen der Gesamtstichprobe (links), die Leistung der Einheimischen nach der OECD-PISA-Klassifikation (Mitte) und der Einheimischen nach der nationalen Klassifikation, die auch in den IQB-Studien Anwendung (Nat.-IQB) findet (rechts).

PISA 2015 - Naturwissenschaften - Vergleich von Klassifikationssystemen
Abbildung 11.1: PISA 2015 – Naturwissenschaften. Gesamtstichprobe und Einheimische nach unterschiedlichen Klassifikationssystemen.
Gesamt: Gesamtstichprobe
OECD-PISA: Einheimische nach der Klassifikation der OECD; offizielle PISA-Studien
Nat.-IQB: Einheimische nach der nationalen Klassifikation, die auch den IQB-Studien zugrunde liegt.

Der linke und mittlere Teil von Abbildung 11.1 zeigen das bereits Bekannte: In der Gesamtstichprobe liegt Deutschland 25 Punkte hinter Estland. Bereits im offiziellen PISA-Bericht (Mitte) ist bei den Einheimischen der Abstand auf 12 Punkte geschrumpft. Der Abstand zu Finnland hat sich von 22 auf 8 Punkte reduziert.

Der springende Punkt liegt im rechten Teil der Abbildung: Auf der Basis der nationalen Klassifikation ist die Leistung der einheimischen Deutschen um weitere 5 Punkte gestiegen. Für Finnland ergeben die beiden Klassifikationssysteme identische Werte. Damit hat sich der Abstand Deutschland-Finnland von 22 über 8 auf nur noch 3 Punkte reduziert. Drei Punkte sind statistisch und inhaltlich bedeutungslos. Einheimische Finnen und einheimische Deutsche zeigen dasselbe sehr hohe Leistungsniveau.

Für Estland sind leider keine Daten auf der Basis der nationalen Klassifikation verfügbar. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die unterschiedlichen Klassifikationssysteme auch für Estland bedeutungslos sind. Zum einen hat Estland viel bessere Migranten, zum anderen hat Estland viel weniger Migranten. Es ist fraglich, ob Estland nach der nationalen Klassifikation überhaupt einen einzigen Punkt hinzugewinnen würde. Durch den 5-Punkte-Zugewinn hat Deutschland auf jeden Fall noch weiter zu Estland aufgeschlossen. Der 25-Punkte-Vorsprung Estlands in der Gesamtstichprobe ist bei den Einheimischen auf 7+x mit einem sehr, sehr kleinen x zusammengeschmolzen.

Auf der Basis der nationalen Klassifikation wird das Kernergebnis noch stärker gestützt als ohnehin schon:

  • Zwischen einheimischen Deutschen, Esten und Finnen bestehen keine nennenswerten Unterschiede.

Im nächsten Beitrag werden wir diese Betrachtung auf die Lesekompetenz und Mathematik ausdehnen, welche 2015 kein Schwerpunktthema waren.

Hier gibt es die Fortsetzung → Teil 12.


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Quellen und Anmerkungen

(1) OECD (2016), PISA 2015 Ergebnisse (Band I). Exzellenz und Chancengerechtigkeit in der Bildung. W. Bertelsmann Verlag, Germany. DOI 10.3278/6004573w
PISA 2015. Zusatzmaterialien im Internet. Anhang zu Kapitel 7. http://dx.doi.org/10.1787/888933433226

(2) Dominique Rauch, Julia Mang, Hendrik Härtig & Nicole Haag (2016). Naturwissenschaftliche Kompetenz von Schülerinnen und Schülern mit Zuwanderungshintergrund. In Kristina Reiss, Christine Sälzer, Anja Schiepe-Tiska, Eckhard Klieme & Olaf Köller (Hrsg.). PISA 2015. Eine Studie zwischen Kontinuität und Innovation. Münster: Waxmann (S.316-347).

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Stichwörter:
Bildung, PISA, Migranten, Migrationshintergrund, Zuwanderungshintergrund, Migrationsstatus, IQB, OECD, Naturwissenschaften

3 Kommentare zu „Auf nach Estland! – Teil 11

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