Auf nach Estland! – Teil 3

PISA 2015 - Naturwissenschaften und Migrationsstatus

Auf nach Estland!

Teil 3: Estland, Finnland und Deutschland – Gute und schlechte Migranten

Ausgangspunkt dieser Serie ist der SPIEGEL-ONLINE-Artikel Digitales Klassenzimmer. Warum Estlands Schüler den deutschen weit voraus sind (1), in dem die Autorin Julia Köppe das hervorragende Bildungsniveau Estlands auf die digitale Ausstattung der Schulen zurückführt (→ Teil 1).

Anhand der PISA-Studien von 2006, 209, 2012 und 2015 haben wir gesehen (→ Teil 2):

  • Nichts, aber auch gar nichts spricht dafür, dass der Vorsprung Estlands gegenüber Deutschland auf die Digitalisierung der estnischen Schulen zurückzuführen ist.

Statt auf Händi, Smartboard, Internet, WLAN, 3D-Drucker und sonstigen Technik-Schnickschnack zu starren, hätte die Autorin ihren Blick besser auf einen anderen Faktor gerichtet. Jeder, der auch nur ein bisschen Ahnung von Psychologie und Bildungsforschung hat, weiß, welcher Kandidat die besten Aussichten hat, nämlich die Intelligenz der Schüler. Und jeder, der die Welt nicht durch die Brille der Political Correctness betrachtet, weiß, dass hier die Zusammensetzung der Schülerschaft im Hinblick auf den Anteil und – ganz besonders wichtig – die Herkunft der Migranten einen zentralen Faktor darstellt.

In PISA 2015 (2) betrug der prozentuale Anteil der Migranten in Deutschland 16,9 Prozent, in Estland 10,0 Prozent und in Finnland waren es 4,0 Prozent.

Welch entscheidende Rolle die Migranten spielen, wird in Abbildung 3.1 deutlich. Dort sind die Leistungen in den Naturwissenschaften (3) nach dem Migrationsstatus aufgeschlüsselt. Dabei bezeichnet ohneM die Schüler ohne Mitgrationshintergrund, Mges die Schüler mit Migrationshintergrund, M2 Migranten der zweiten und M1 Migranten der ersten Generation.

PISA 2015 - Naturwissenschaften und Migrationsstatus Deutschland, Estland, Finnland
Abbildung 3.1: PISA 2015. Leistungen in Naturwissenschaften nach Migrationsstatus
ohneM: Ohne Migrationshintergrund
Mges: Migranten insgesamt
M2: Migranten der zweiten Generation
M1: Migranten der ersten Generation

Bereits auf den ersten Blick ist unmissverständlich klar:

  • Der Migrationsstatus macht einen gewaltigen Unterschied und dieser Unterschied ist in Estland sehr viel geringer als in Deutschland oder Finnland.

Die Schüler ohne Migrationshintergrund erreichten in Estland 539, in Finnland 531 und in Deutschland 527 Punkte. In der jeweiligen Gesamtstichprobe lauteten die Werte 534, 531 und 509. Das heißt: Ohne die Migranten stünde Estland um 5 Punkte, Finnland um 4 Punkte und Deutschland um 18 Punkte besser da! In der Gesamtstichprobe beträgt der Unterschied zwischen Deutschland und Estland 25 Punkte; bei den Schülern ohne Migrationshintergrund sind es nur noch 12 Punkte. Zwischen Deutschen, Esten und Finnen ohne Migrationshintergrund sind die Differenzen überschaubar.

Zwischen den Migranten in Estland auf der einen und Deutschland und Finnland auf der anderen Seite sind die Unterschiede jedoch gigantisch.

Die Migranten in Estland erreichen 507 Punkte – das sind 14 Punkte mehr als der Durchschnitt der 35 OECD-Länder! Die Zuwanderer in Estland zeigen zwar deutlich schlechtere Leistungen als die Einheimischen, sie sind aber klar besser als die OECD-Länder oder das europäische Durchschnittsniveau.

In Deutschland und Finnland liegen die Migranten hingegen meilenweit unter dem Niveau der Einheimischen. In Deutschland beträgt die Differenz 72 Punkte; das entspricht dem Lernzuwachs von mehreren Schuljahren! (4)

In Finnland beträgt der Unterschied zwischen Einheimischen und Migranten sogar 83 Punkte! Der Vergleich Einheimische vs. Migranten fällt also in Finnland noch ungünstiger aus als in Deutschland. Oben hatten wir festgestellt, dass Finnland ohne die Migranten um 4, Deutschland ohne Migranten um 18 Punkte besser dastünde. Der scheinbare Widerspruch lässt sich leicht auflösen: Der Anteil der Migranten beträgt in Finnland 4,0 Prozent; in Deutschland ist er mit 16,9 Prozent mehr als viermal so groß. Deutschland und Finnland haben zwar beide sehr schlechte Migranten, aber in Deutschland ist die Masse der Migranten sehr viel größer als in Finnland. Folglich schlägt der negative Effekt der Migranten in Deutschland wesentlich stärker zu Buche als in Finnland.

In der nächsten Folge werden wir die entscheidende Rolle der Migranten weiter vertiefen → Teil 4.


*

Quellen und Anmerkungen

(1) Julia Köppe: Digitales Klassenzimmer. Warum Estlands Schüler den deutschen weit voraus sind. SPIEGEL ONLINE, 08. November 2017.

(2) OECD (2016), PISA 2015 Ergebnisse (Band I). Exzellenz und Chancengerechtigkeit in der Bildung. W. Bertelsmann Verlag, Germany. DOI 10.3278/6004573w

(3) In den PISA-Studien bildet im Wechsel jeweils ein Fach den Schwerpunkt. Im Jahr 2015 lag der Schwerpunkt auf den Naturwissenschaften. Deshalb liegen für dieses Fach sehr ausführliche Detailinformationen vor.

(4) Siehe dazu die Serie → Von Mathematik, älteren Lehrerinnen und Migranten – Teil 8

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Stichwörter:
Bildung, PISA, Estland, Finnland, Deutschland, SPIEGEL ONLINE, Digitalisierung, Naturwissenschaften, Migranten, Migrationshintergrund

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3 Kommentare zu „Auf nach Estland! – Teil 3

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