Von Mathematik, älteren Lehrerinnen und Migranten – Teil 6

Von Mathematik, älteren Lehrerinnen und Migranten

Teil 6: Die deutsche Bildungslandschaft mit und ohne Migranten

Ausgangspunkt dieser Serie zum IQB-Ländervergleich 2012 (1) war der enorme Leistungsvorsprung der ostdeutschen Flächenländer im Fach Mathematik. In der vorangegangenen Folge (→ Teil 5) haben wir festgestellt:

  • Betrachtet man nur die Schüler ohne Migrationshintergrund, dann löst sich der Vorsprung der ostdeutschen Flächenländer in Luft auf. Das eklatante Ost-West-Gefälle beruht einzig und allein auf der unterschiedlichen Anzahl und der Zusammensetzung der Migranten in den verschiedenen Bundesländern.

Die zentrale Rolle der Migranten wollen wir nun anhand der bereits bekannten Tabelle 6.1 näher beleuchten. Der Einfachheit halber werde ich Schüler ohne Migrationshintergrund als Deutsche und Schüler mit Migrationshintergrund als Migranten bezeichnen.

Schüler insgesamt ||| Ohne Migrationshintergrund
Sachsen 536 549 Sachsen
Thüringen 521 543 Bayern
Brandenburg 518 530 Bremen
Bayern 517 529 Hamburg
Sachsen-Anhalt 513 528 Thüringen
Mecklenburg-Vorpommern 505 526 Saarland
Rheinland-Pfalz 503 525 Schleswig-Holstein
Schleswig-Holstein 502 524 Brandenburg
Baden-Württemberg 500 524 Berlin
Hessen 495 521 Rheinland-Pfalz
Niedersachsen 495 518 Baden-Württemberg
Hamburg 489 517 Sachsen-Anhalt
Saarland 489 516 Hessen
Nordrhein-Westfalen 486 512 Mecklenburg-Vorpommern
Berlin 479 512 Nordrhein-Westfalen
Bremen 471 503 Niedersachsen
Deutschland 500 521 Deutschland
Tabelle 6.1: IQB Ländervergleich 2012. Leistungen in Mathematik.
Linke Tabellenhälfte: Gesamte Schülerschaft
Rechte Tabellenhälfte: Schüler ohne Migrationshintergrund.
Grün hervorgehoben: Ostdeutsche Flächenländer.


Zur Einordnung der folgenden Betrachtungen sei eine wichtige Information vorausgeschickt:

  • Im Fach Mathematik liegt der Lernzuwachs in einem Schuljahr am Ende der Sekundarstufe I etwa bei 25 bis 30 Punkten.

In der Gesamtstichprobe zeigen sich enorme Unterschiede zwischen den Bundesländern. Die Werte reichen von 471 bis 536, die Spannbreite beträgt somit 65 Punkte. Bei den deutschen Schülern reichen die Werte von 503 bis 549, die Spannbreite beträgt 46 Punkte. Die Varianz zwischen den Bundesländern beträgt in der Gesamtstichprobe 287, bei den Deutschen nur noch 130. Das heißt:

  • Ein erheblicher Teil der Unterschiede zwischen den Bundesländern ist auf die Migranten zurückzuführen.

Selbstverständlich sind die Migranten nicht „an allem schuld“.

Wie erwähnt, beträgt die Spannbreite innerhalb der deutschen Teilstichprobe 46 Punkte. Zwischen den Deutschen in Sachsen und den Deutschen in Niedersachsen klafft somit eine Lücke von etwa anderthalb Schuljahren. Blendet man jedoch die Spitzenreiter Sachsen und Bayern sowie das Schlusslicht Niedersachsen aus, dann schrumpft die Spannbreite auf 18 Punkte. Die meisten Bundesländer unterscheiden sich also nur sehr wenig voneinander – sobald man die Migranten herausnimmt.

In allen Bundesländern schneiden die Deutschen besser ab als die Gesamtgruppe. In den ostdeutschen Flächenländern ist – dank der niedrigen Migrantenquote – die Differenz sehr klein: Sachsen-Anhalt 4, Brandenburg 6, Thüringen 7, Mecklenburg-Vorpommern 7 und Sachsen 13 Punkte. Am anderen Extrem finden sich die drei Stadtstaaten, die unter einer sehr hohen Migrantenquote leiden: Hamburg 40, Berlin 45 und Bremen 59 Punkte.

Besonders aufschlussreich ist der Vergleich Berlin – Brandenburg: Berlin ist bekanntlich eine Insel in Brandenburg. In der Gesamtstichprobe lag Brandenburg mit 518 Punkten auf Rang 3, Berlin mit 479 Punkten auf Rang 15. In der deutschen Teilstichprobe liegen Berlin und Brandenburg mit 524 exakt gleichauf und teilen sich gemeinsam den Rangplatz 8,5. Zwischen den deutschen Schülern in Berlin und Brandenburg gibt es also nicht den geringsten Unterschied. Die wenigen Migranten in Brandenburg haben den Schnitt um 6 Punkte gedrückt, die vielen Migranten in Berlin haben das Ergebnis um 45 Punkte nach unten gezogen!

  • Für die gravierenden Unterschiede im Gesamtergebnis zwischen Brandenburg und Berlin lassen sich weder die Lehrer noch die Schulen noch die Schulpolitik verantwortlich machen. Die Differenzen ergeben sich einzig und allein durch die Migranten. Es sind nicht die Lehrer, es sind nicht nicht die Schulen und es ist auch nicht die Schulpolitik – es sind die Schüler, genauer: es sind die Migranten, die Berlin so viel schlechter machen als Brandenburg.

Als Fazit halten wir fest:

  • Diskussionen über unterschiedliche Schulleistungen in den Bundesländern sind völlig wertlos, wenn man nicht explizit zwischen Deutschen und Migranten (sowie zwischen verschiedenen Migrantengruppen) differenziert – aber genau diese Differenzierung ist im öffentlichen Diskurs so gut wie nie der Fall.

Hier gibt es die Fortsetzung → Von Mathematik, älteren Lehrerinnen und Migranten. Teil 7: Solche und solche Migranten.

*

Quellen und Anmerkungen

(1) Hans Anand Pant, Petra Stanat, Ulrich Schroeders, Alexander Roppelt, Thilo Siegle, Claudia Pöhlmann (Hrsg.): IQB-Ländervergleich 2012 Mathematische und naturwissenschaftliche Kompetenzen am Ende der Sekundarstufe I. Münster: Waxmann Verlag GmbH, 2013.
Im Internet erhältlich unter https://www.iqb.hu-berlin.de/bt/lv2012/Bericht

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Stichwörter:
Bildung, Mathematik, IQB, Bildungsstudie, Bundesland, Schulleistungen, 2012, Migranten, Migrationshintergrund

2 Kommentare zu „Von Mathematik, älteren Lehrerinnen und Migranten – Teil 6

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