PISA 2015 in Europa
Teil 2: Intelligenzunterschiede in Europa – Leistungsträger und Totalversager
Der Teil 1 dieser Serie bot einen Grobüberblick über die PISA-Intelligenz in den 37 teilnehmenden europäischen Staaten. Die Mehrzahl der Länder weist ein relativ ähnliches Niveau auf, aber über den Gesamtbereich betrachtet sind die Unterschiede gigantisch. Zur Erinnerung: Der Unterschied zwischen dem Spitzenreiter Estland und dem Schlusslicht Kosovo ist viel größer als der Unterschied zwischen Schwarzen und Weißen in den USA.
Im aktuellen Beitrag will ich die Unterschiede etwas differenzierter betrachten.
Unterschiede zeigen sich nicht nur zwischen verschiedenen Ländern – sie zeigen sich selbstverständlich auch innerhalb der einzelnen Länder. Und die Unterschiede innerhalb der einzelnen Länder sind erheblich größer als die Unterschiede zwischen den Mittelwerten verschiedener Länder.
Statistische Randbemerkung: Dass die Variation innerhalb von Gruppen größer ist als die Unterschiede zwischen Gruppenmittelwerten ist – bei sozialwissenschaftlichen Fragestellungen – im Grunde eine statistische Selbstverständlichkeit. Bei normalverteilten Variablen müssen zwei Gruppen mindestens zwei Standardabweichungseinheiten auseinanderliegen, um die Relation umzukehren. Dann sind die Unterschiede aber derart gigantisch, dass sie selbst für einen Halbblinden mit bloßem Auge erkennbar sind.
Die PISA-Studie bietet eine Zusammenfassung der besonders leistungsstarken und der besonders leistungsschwachen Schüler, die ich im Folgenden als Leistungsträger und als Totalversager bezeichne.
Leistungsträger sind Schüler, die in mindestens einem Fach (Mathematik, Naturwissenschaften, Lesekompetenz) sehr gute bis herausragende Leistungen zeigten.
Totalversager sind Schüler, deren Leistungen in allen drei Fächern unter dem Minimalniveau liegen, das erforderlich ist, um vollwertig am Leben einer modernen Gesellschaft teilhaben zu können.
In aller Regel gibt es zwischen diesen Extremen eine breite Mitte.
Die prozentualen Anteile von Totalversagern, Mitte und Leistungsträgern in den verschiedenen Ländern sind in Abbildung 1 dargestellt.

Wie nicht anders zu erwarten, bildet die Mitte in fast allen Ländern die mit Abstand größte Gruppe. Lediglich bei den Schlusslichtern Mazedonien und Kosovo stellen die Totalversager die größte Gruppe und dort besitzen sie sogar die absolute Mehrheit.
In der oberen Hälfte (bis zu Tschechien) ist der Anteil der Leistungsträger größer als der Anteil der Totalversager. Im oberen Drittel beträgt das Verhältnis etwa 2:1, beim Spitzenreiter Estland sogar 4,3:1.
In der unteren Hälfte (mit Ausnahme von Italien und Island) gibt es hingegen mehr Totalversager als Leistungsträger. Spätestens auf den zehn unteren Rängen (ab Slowakei) ist das Bild dramatisch. Der Anteil der Leistungsträger fällt rapide ab und der Anteil der Totalversager schnellt in die Höhe. In Mazedonien und im Kosovo ist schließlich mehr als die Hälfte der 15-Jährigen in gar keiner Weise den Anforderungen einer modernen Industrie- und Informationsgesellschaft gewachsen.
Bislang bin ich nur ganz grob auf Niveauunterschiede zwischen den Ländern (Teil 1) und die Variation innerhalb der Länder (aktueller Beitrag) eingegangen. Einzelne Länder habe ich nur am Rande namentlich erwähnt.
Bereits ein oberflächlicher Blick auf die Abbildung 1 zeigt, dass die Leistungsunterschiede keineswegs zufällig über den europäischen Kontinent verstreut sind. Im folgenden Beitrag werde ich die Geographie der Intelligenz in Europa näher beleuchten und in späteren Beiträgen werde ich auf einige Details aus Abbildung 1 detaillierter eingehen.
***
Stichwörter:
PISA, Intelligenz, Intelligenzunterschiede, Totalversager, Leistungsträger, Europa, Bildung
2 Kommentare zu „PISA in Europa – Leistungsträger und Totalversager“